Die Schlacht

Die Schlacht von Worringen 1288

Der historische Rahmen

Die Schlacht von Worringen stellt nicht nur das kriegerische Finale eines sechs Jahre schwelenden Konflikts zwischen Siegfried von Westerburg, dem Erzbischof von Köln und Johann I von Brabant dar. Sie ist auch eine Zäsur für das Machtgefüge im gesamten Nordwesten Mitteleuropas. Darüber hinaus ist Sie ein militärhistorischer Einschnitt in der Schlachtführung und läutet am Wendepunkt zum 14. Jahrhundert den noch rund zweihundert Jahre dauernden Niedergang des Rittertums ein.

Die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts war geprägt durch den Niedergang der Staufer und dem damit verbunden Interregnum von 1250 bis 1273. Nach der Wahl  Rudolf I von Habsburg zum Römisch-Deutschen König erholte sich das deutsche Reich nur sehr langsam von den Wirren und Kriegen der vorherigen Dekaden. Das Machtvakuum, das die Absetzung und der Tod Friedrichs II hinterlassen hatte, verführte den Adel dazu, seinen Machteinfluss zu vergrößern, sodass infolge auch von der rechtlosen Zeit die Rede war. In dieser Zeit erstarkte aber nicht nur der Einfluss des hohen Adels. Vor allem die Städte erlangten ein neues Selbstbewusstsein.

Diese Umwälzungen sollten nun dazu führen, dass die Schlacht von Worringen nicht nur zum Finale einer Fehde zwischen zwei der einflussreichsten Adelsparteien dieser Region wurde, sondern die Basis für ein neues bürgerliches Bewusstsein bildete, das in den folgenden Jahrhunderten immer häufiger seinen Platz in der politischen Willensbildung des deutschen Reichs einforderte.

 

Der Limburger Erbfolgestreit

Mit dem Tod des letzten limburgischen Herzogs Walram V erlosch die männliche Erblinie seines Hauses. Die Tochter Walrams war mit Rainald van Geldern verheiratet, der nun das Erbe antrat und mit der Neubelehnung durch Rudolf I als rechtmäßiger Herzog von Limburg 1282 bestätigt wurde.

Als Irmgard bereits im folgenden Jahr starb, war die Ehe kinderlos geblieben. Da es nach geltendem Lehnsrecht strittig war, ob im Falle des Ausbleibens männlicher Nachkommen die Erbfolge durch die weibliche Linie fortgesetzt werden könne oder das Erbe dem nächsten männlichen Verwandten zu fiel, machte Graf Adolf VIII von Berg, der Neffe Walrams V seinen Anspruch auf das Erbe geltend.

Über ihre Abstammung von Herzog Heinrich dem Alten von Limburg († 1221) hielten sich zudem auch Heinrich von Luxemburg, sein Bruder Walram von Ligny, deren Vetter Walram von Valkenburg, Walram von Jülich (Propst des Aachener Marienstifts), dessen Brüder Otto von Heimbach und Gerhard von Kaster, außerdem dessen Vetter Walram von Jülich-Bergheim sowie Dietrich von Heinsberg und sein Bruder Johann von Heinsberg-Löwenberg als erbberechtigt.

Da alle diese Bewerber übereingekommen waren am zweiten Februar 1284 eine Entscheidung herbeizuführen, wer mit der Zustimmung der anderen die Erbnachfolge antreten sollte, war zu diesem Zeitpunkt eine friedliche Lösung durchaus noch möglich.

Auslöser der nun folgenden kriegerischen Eskalation war der Umstand, dass ein völlig Unbeteiligter auf den Plan trat. Herzog Johann I von Brabant konnte keinerlei Erbansprüche geltend machen, hatte aber machpolitische und wirtschaftliche Interessen an Limburg. Mit der recht kühnen Konstruktion eines Erbanspruchs Brabants über die Herzogwürde von Niederlothringen auf die Barbant und Limburg gleichermaßen zurückgingen, versuchte Johann seine Interessen voran zu treiben.

Den Durchbruch für sein Ziel lieferte jedoch der Umstand, dass Adolf von Berg sich eingestehen musste, nicht über ausreichende Mittel zu verfügen, seinen Anspruch auf das Herzogtum Limburg durchzusetzen. Infolge verkaufte Adolf diesen am 13. September 1283 an Johann von Brabant. Jedoch verweigerten die limburgischen Vasallen Adolfs ihrem neuen Herrn, Johann von Brabant, den Huldigungseid, worauf dieser mit seinen Truppen in das Herzogtum Limburg einfiel. Infolge des Brabanter Machtzuwachses am Niederrhein fühlte sich wiederrum Siegfried von Westerburg, Erzbischof von Köln und Landesherr des Kurfürstentums Köln bedroht. Westerburg schloss daraufhin ein gegen Brabant und Berg gerichtetes Militärbündnis mit dem Prätendenten Rainald von Geldern, der seinerseits erkannte, dass auch er allein nicht in der Lage war, sich gegen Brabant durchzusetzen. Von Rainald zu seinem Vertreter in Limburg bestimmt, gehörte diesem Bündnis auch Walram von Valkenburg an. Ein komplexes Vertragssystem, das im Zusammenhang der Belehnung Gelderns mit Wassenberg durch den Erzbischof stand, verbündete Geldern und Valkenberg nicht nur mit Westerburg sondern auch miteinander.

Brabant und Berg stellte sich nun Graf Eberhard von der Mark zur Seite, der mit dieser Parteinahme, dem Versuch der Emanzipation von der Gewalt Westerburgs, der auch Herzog von Westfalen war, eine neue Basis gab.

Wie zu erwarten, war die limburgische Ritterschaft gespalten. Die Gefolgsleute um den Drost von Limburg standen auf der Seite Gelderns, während Heinrich von Mulrepas der von Reinald von Geldern vormals aus dem Amt des Drosten entlassen worden war mit seinen Verwandten sich der Brabanter Seite zuwandte.

Ebenfalls auf der Seite Westerburgs und Gelderns standen die Luxemburger, die sich jedoch vorerst zurückhielten.

 

Das militärische Vorspiel

Die Jahre von 1283 – 1288 waren von zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Besonders wurde dabei das Herzogtum Limburg in Mitleidenschaft gezogen. Immer wieder schwelten die Konflikte auf, in deren Folge es wiederholt zu Frontwechseln einzelner beteiligter Parteien kam.

Im Mai 1288 zog der Verbündete Gelderns Heinrich von Luxemburg mit seinem Heer in Richtung Köln, das durch den Anschluss zahlreicher Vasallen enorm anwuchs. Als im Zuge einer Lagebesprechung in Valkenburg, Rainald seine Ansprüche auf die Grafschaft Geldern an Heinrich und Walram von Luxemburg für 40.000 Mark brabantischer Denare verkaufte, machte sich Johann von Brabant ebenfalls auf den Weg nach Köln. In Brühl fanden nun am 25. oder 26. Mai des Jahres 1288 Verhandlungen zwischen Brabant, Berg, von der Mark und Walram von Jülich statt. An dieser Verhandlung nahmen nun auch Vertreter der Stadt Köln teil, die ihrerseits an einer Beschränkung der erzbischöflichen Gewalt großes Interesse hatte. Infolge wurde ein Landfriedensbund ausgehandelt, der um den 28. Mai 1288 in Köln vertraglich abgesichert wurde. Ziel des Bundes war die Beschränkung der erzbischöflichen Macht, was mit der Schleifung der Burg Worringen erreicht werden sollte.

 

Am Vorabend der Schlacht

Mit der Unterstützung durch ein großes Truppenkontingent der Kölner Bürgerschaft wurde Worringen vom 29. Mai bis 5. Juni 1288 durch das brabantische Heer belagert. Zur gleichen Zeit sammelten sich der Graf von Luxemburg, Siegfried von Westerburg und deren Verbündete bei Neuss. In der Nacht zum 5 Juni lagerten die Truppenverbände Gelderns, Westerburgs und Luxemburgs bei Brauweiler.

Die Entscheidungsschlacht war nun nicht mehr zu verhindern. Vor allem der Landfriedenbund Brabants mit der Bürgerschaft von Köln zwang Westerburg die nun folgende Schlacht auf, wollte er seinen Suprematsanspruch verteidigen.

 

Der Aufmarsch

Es versprach ein heißer Tag zu werden, als am Morgen des 5. Juni die Späher des Herzogs von Brabant das Herannahen der Truppenkontingente Westerburgs meldeten. Der Erzbischof war unmittelbar nach Morgenmesse und Beichte mit seinem Heer von Brauweiler aus aufgebrochen und traf nun auf den Tross Johanns, der von Worringen aus Stellung auf einer Anhöhe südostwärts des Worringer Bruchs bezogen hatte. Gegen 11:00 Uhr standen sich nun zwei gewaltige Armeen gegenüber.  Auf der  brabantischen Seite standen ca. 2.300 Panzerreiter. Allein der Anteil der Kölner Patrizier betrug 60 Panzerreiter. Daneben bot Johann ein gewaltiges Fußvolk auf, das auf 2.500 Mann geschätzt wird (davon 500 bergische Bauern und 1.500 Kölner Miliz), Der Erzbischof ritt mit 2.800 Panzerreitern und 1400 Fußsoldaten ins Feld. So war mit rund 10.000 Kämpfern die Bühne für eine der blutigsten Schlachten des Hochmittelalters bereitet.

Westerburg formierte sich westlich des heutigen Fühlingen mit seinen kölnischen Truppen zum rechten Flügel gegenüber den Truppen der Grafen Adolf von Berg und Eberhard von der Mark, denen sich ganz außen das Fußvolk der Stadt Köln und der märkischen und bergischen Bauern anschloss. Die mit Westerburg verbündeten Luxemburger bezogen die mittlere Position direkt gegenüber den Brabantern. Auf dem linken Flügel stand der Graf von Geldern den Reitern der Jülicher und des Grafen von Looz gegenüber, die ihrerseits vom brabantischen Fußvolk flankiert wurden.

 

Die Initiative Westerburgs

Westerburg, der schnell eine Entscheidung herbeiführen wollte, überrannte gleich zu Beginn der Schlacht die bergischen und kölnischen Fußtruppen am linken Flügel Brabants. Dies führte jedoch beinahe zur völligen Auflösung seiner eigenen Formation. Westerburgs Initiative sollte den Verlauf der Schlacht nachhaltig beeinflussen, denn nur mit sehr großer Mühe konnte er die Ordnung in den eigenen Reihen jetzt noch halten.

 

Der Untergang des Hauses Luxemburg

In der Mitte des Schlachtfelds tobte derweil ein erbitterter Kampf zwischen Brabantern und Luxemburgern. Die Verluste waren auf beiden Seiten enorm. Im Verlauf der Kampfhandlung wurde schließlich mit Walram von Luxemburg-Ligny, Heinrich von Luxemburg, Heinrich von Houffalize, Bastardbruder Heinrichs und dessen jüngerer Bruder Balduin eine ganze Generation des Hauses Luxemburg ausgelöscht.

 

Die Entscheidung

Nachdem die Grafen von Berg und von der Mark ihre zuvor von Westerburg aufgeriebenen Fußtruppen neu formiert hatten, griffen sie gegen 15:00 Uhr den Erzbischof auf seiner rechten Flanke an. Die Bauern und Milizen waren durch den Verlauf der Schlacht am Vormittag noch völlig demoralisiert gewesen, nun rafften sie sich, angespornt durch die flammende Rede des Geistlichen Walter Dodde auf und stürzten mit aller Gewalt in das Kampfgeschehen. Es wird berichtet, dass sie dabei auf jeden einschlugen, der ihnen unter die Waffen kam, da sie die Wappen ihrer Verbündeten nicht kannten. Nur der Schlachtruf „Hya Berge romerijke, Hoch ruhmreiches Berg“ ersparte manchem das Schicksal, von den eigenen Männern erschlagen zu werden. Gerhard Overstolzen, ein Spross der angesehensten Patrizerfamilie Kölns, war von seinem Pferd abgestiegen, um die Truppen in voller Rüstung zu Fuß ins Feld zu führen. Doch forderte die Junihitze ihr Opfer. Ohne in das Kampfgeschehen eingreifen zu können, brach der mutige Sohn der Stadt Köln vor Erschöpfung zusammen und erstickte in seinem Helm. Die wütende Attacke der Bauern und Milizen führte Westerburg die Aussichtslosigkeit seiner Lage vor Augen, sodass er Johann von Branbant die Kapitulation anbot. Die Eroberung des erzbischöflichen Fahnenwagens durch die bergischen Bauern führte schließlich zum völligen Zusammenbruch des kurkölnischen Flügels. Auch Rainald von Geldern musste seine Niederlage hinnehmen und wurde schließlich, beim Versuch unerkannt zu fliehen von Brabant gestellt und gefangen genommen. Nach einem erbitterten Zweikampf mit dem Probst des Aachener Marienstifts verließ Walram von Valkenberg als letzter Vasall des Erzbischofs das Schlachtfeld. Dank der Hilfe des Grafen Arnold von Loon, gelang ihm die Flucht. Als letzte schlug sich die verfeindete Limburger Ritterschaft, die offenbar ihren eigenen Konflikt austrug. Gegen 17:00 kamen alle Kampfhandlungen zum Erliegen. Diejenigen, die nicht erschlagen worden waren, wurden in Aussicht auf ein üppiges Lösegeld gefangen genommen.

 

Der Staub legt sich

Da man bei den mittelalterlichen Reiterschlachten in der Regel darauf bedacht war den Feind zu schonen, um hernach Lösegeld fordern zu können waren die Verluste auf beiden Seiten eher gering. Doch forderte die Brutalität, mit welcher die bäuerlichen Fußtruppen, die sich nicht besonders um ritterliche Ideale scherten, in das Kampfgeschehen eingriffen, einen fürchterlichen Blutzoll. Die meisten Toten waren grässlich entstellt. Schließlich führte die ausufernde Leichenfledderei dazu, dass die Opfer nicht einmal mehr anhand ihrer Wappenröcke identifiziert werden konnten. Dieses Brutale Vorgehen der bergischen Bauern hatte wohl auch dazu geführt, dass viele der kurkölnischen Panzerreiter sich eher in Gefangenschaft begaben, als sich mit Dreschflegel und Sense niedermähen zu lassen. Insgesamt sollen in den Massengräbern auf dem Schlachtfeld rund 600 Mann bestattet worden sein, die meisten davon Kämpfer der Miliz und der bäuerlichen Fußtruppen.

 

Die politischen Folgen

Siegfried von Westerburg wurde nach der Schlacht rund ein Jahr in Novum Catrum (Das heutige Schloss Burg) durch Adolf von Berg gefangen gesetzt. Legenden besagen, dass er dabei fürchterlichen Demütigungen ausgesetzt gewesen sein soll. So habe man ihn gezwungen, während seiner gesamten Gefangenschaft, seiner volle Panzermontur anzubehalten. So an die Kerkerwand gekettet, habe man ihm nur zu den Mahlzeiten, die Hände befreit und ihm gestattet seinen Helm abzunehmen.

Ein historisches Faktum ist jedoch, dass Westerburg erst nach einer Lösegeldzahlung von 12.000 Mark und der Zubilligung eines Sühnevertrags, der ihm unter anderem den Verzicht auf das Befestigungsrecht im Bergischen Land abverlangte, wieder die Freiheit erlangte. Auch hatte der Domprobst von Köln Konrad von Berg, der Bruder Adolfs, die Regierungsgewalt des Erzstifts übernommen. Darüber hinaus erhielt Adolf von Berg sein Münzrecht zurück, das er 1279 an Westerburg hatte abtreten müssen. Schließlich wurde von der Mark in seinem Suprematsanspruch in seinem Gebiet mit der Befestigungshoheit bestätigt.

Auch die bergischen Bauern sollten ihren Anteil an den neugeschaffenen Machtverhältnissen am Niederrhein bekommen. So verlieh Graf Adolf von Berg dem kleinen Dörfchen an der Düsselmündung bereits am 14 August 1288 das Stadtrecht.

Trotz aller Restaurationsversuche gelang es Westerburg bis zu seinem Tode im Jahre 1297 nicht, die alten Machverhältnisse wiederherzustellen. Der limburgische Erbfolgekrieg hatte mit der Schlacht von Worringen Fakten geschaffen, die für die politische Entwicklung der nächsten Jahrhunderte noch ausschlaggebend sein sollten. So erhielt neben Düsseldorf im Jahre 1322 auch Mühlheim die Stadtrechte verliehen. Beide Städte entwickelten sich im Laufe der kommenden Jahrhunderte zu prosperierenden Wirtschaftszentren und traten in direkter Konkurrenz zu Köln, was nicht immer Spannungsfrei verlief.

Ein Eindruck mag hier der Chronist Johann von Brabants geben, Jan van Heelu, der mit seiner „Yeeste van den Slag van Woeronc“, die wohl wichtigste Quelle dieses Ereignisses geliefert hat. So lesen wir in der Einführung:Die Schlacht von Worringen ist somit nicht zuletzt ein epochaler  Wendepunkt. Mit der mit Erstarkung Regionaler Mächte zu Lasten der alten Potentaten werden zum ersten Mal auf deutschem Reichsgebiet auch Fragen nach kultureller und nationaler Zugehörigkeit gestellt. Ein Eindruck mag hier der Chronist Johann von Brabants geben, Jan van Heelu, der mit seiner „Yeeste van den Slag van Woeronc“, die wohl wichtigste Quelle dieses Ereignisses geliefert hat. So lesen wir in der Einführung:

Slag Van Woeringen                                     Die Schlacht von Worringen.
Eerste Boek                                                       Erstes Buch.

Vrouwe Margirete van Inghelant,          Der Herrin Margarete von England
Die seker hevet van Brabant                     die Herzog Jan von Brabants
Tshertghen Jans sone Jan,                         Sohn Jan geheiratet hat,
Want sie dietsche tale niet en can          will ich ein Geschenk
Daer bi willic haer ene gichte                   in Form einer Erzählung in
Sinden van, dietschen gedichte              deutscher Sprache machen,
Daer sie dietsch in leeren moghe;          mit der sie diese Sprache lernen möge
die sie nicht beherrscht;

Van haren sweer, den hertoghe,           die Geschichte handelt
von ihrem Schwiegervater,

Sindic haer daer bi beschreven;             dem Herzog, die ich hier beschrieben habe;
Want en mach niet scoenres geven      denn es kann nichts Schöneres
Van ridderscape goote date                      als große gute Taten …